Winterhuder Fährhaus

Der eingebildete Kranke

(c) Richard Becker

Stiftung Theater Lindenhof Melchingen

Regie: Christoph Biermeier
Ausstattung: Claudia Rüll Calame-Rosset
Mit Bernhard Hurm, Carola Schwelien, Linda Schlepps, Kathrin Kestler, Luca Zahn, Franz X. Ott, Berthold Biesinger

Molières letzte Komödie ist die Geschichte einer Einbildung. Der wohlhabende Argan ängstigt sich vor allem, besonders vor Ansteckung und Krankheit, aber genauso vor der Komplexität der Gegenwart. In seiner Hypochondrie vertraut er nur seinen Ärzten, diese verdienen gut und gerne an seinen unablässigen Beschwerden. Und um immer einen ‘Hausarzt’ an seiner Seite zu haben, will Argan seine Tochter mit dem reaktionären Sohn seines Doktors verheiraten. Die Tochter kämpft dagegen für ihren Geliebten Cléante. Ihre Stiefmutter ist derweil hauptsächlich am Erbe des ungeliebten Ehemanns interessiert. Einzig die Hausangestellte Toinette durchschaut das verrückte Treiben und verordnet ihrem Herrn eine neuartige Kur, indem sie die Verhältnisse auf den Kopf stellt und ihm die Realität vor Augen führt.

Molières Komödie ist in der Neufassung und der schwäbischen Übertragung eine rasante und kernige Abrechnung mit dem wehleidigen Weltschmerz der Privilegierten. Argan ist hier kein wehleidig Kranker, sondern ein sendungsbewusster Märtyrer. Er leidet, um seine privilegierte Stellung zu verschleiern und behandelt seine Empfindlichkeit und Hypochondrie wie die Auszeichnung eines Auserwählten. In der stark verdichteten Bearbeitung wird die Hausangestellte Toinette zur treibenden Kraft und heimlichen Spielleiterin. Ohne aufdringliche Aktualisierungen gelingt es der Neufassung, einen Menschentyp unserer Gegenwart ins Zentrum zu stellen, der erst listig und trickreich von seinen Untergebenen erzogen werden muss, damit er einen ersten Schritt wagt in Richtung Erkenntnis und Veränderung.

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